Aktienauswahl: Was ist Chartanalyse?

Wenn Sie im vorherigen Kapitel nun Ihre erste Aktie gekauft haben, stellen Sie sich vermutlich die Frage, wie man Aktien systematisch auswählt, vor allem, wenn man größere Beträge investieren möchte. Zur Auswahl und Analyse von Aktien gibt es im Prinzip zwei unterschiedliche Herangehensweisen: Die Fundamentalanalyse (inklusive quantitativer Modelle) und die technische Analyse (Chartanalyse), die in diesem Kapitel genauer erläutert wird.

Bevor wir anfangen, noch ein paar Worte zur Fundamentalanalyse, damit Sie die beiden Begriffe voneinander abgrenzen können. Bei der Fundamentalanalyse geht es darum ein Unternehmen zu bewerten: Sie wollen es sozusagen an Hand vieler verschiedener Kennzahlen, die Sie zum Beispiel aus der Bilanz oder der Gewinn-und Verlustrechnung entnehmen, durchleuchten und herausfinden, ob das Unternehmen gut dasteht und in der Zukunft möglichst hohe Gewinne abwirft. Die Chartanalyse wählt einen komplett anderen Ansatz: Sie schaut nur auf den Kurs (Chart) und versucht mit Hilfe von typischen Mustern die Entwicklung der Zukunft vorauszusehen. Wie das funktioniert und wieso, erfahren Sie jetzt.

Wie funktioniert die Chartanalyse?

Die Chartanalyse beruht auf folgenden Prinzipien

1. Der Markt diskontiert alles

Was heißt das genau? Alle Gründe, die einen Kursverlauf beeinflussen (zum Beispiel fundamentale Kennzahlen, geopolitische Auseinandersetzungen und psychologische Stimmungen) sind schon im Kurs eingepreist. Der aktuelle Marktpreis der Aktien enthält schon alle Beweggründe sowie Stimmungen (siehe Effizienzmarkthypothese) und folglich müssen Sie nur den Chart anschauen und sich nicht darum kümmern, weshalb der Kurs dort steht, wo er steht. Der Aktienkurs wird nur über Angebot und Nachfrage bestimmt und somit hat man die fundamentalen Gründe schon indirekt studiert. Wenn man Chartanalyse anwendet weiß man sehr wohl, dass es Gründe gibt, wieso ein Kurs fällt (oft fundamentale Gründe), aber es reicht eben zu wissen, dass der Kurs jetzt bei einem bestimmten Preis steht. Welche Gründe genau dahinter stecken sind uninteressant.

2. Aktienkurse bewegen sich in Trends

Der zweite wichtige Gesichtspunkt lautet, dass alle Aktienkurse sich in Trends bewegen. Der Aktienkurs bewegt sich also nicht zufällig (davon sind die Anhänger der Random-Walk-Theorie überzeugt) sondern die Kurse bewegen sich immer entweder aufwärts, abwärts oder auch seitwärts in kurzfristigen oder längerfristigen Trends. Natürlich gibt es immer übertriebene Kurskorrekturen nach oben oder unten, die oft nicht wirklich erklärt werden können und vielleicht als Zufallsrauschen interpretiert werden können, aber dass die Märkte nur dem Zufall überlassen sind und keine zielgerichteten Bewegungen aufweisen ist eher unrealistisch und scheint ein akademisches Konstrukt zu sein, welches den Praxistest nicht besteht. Auf der Tatsache, dass sich Kurse in Trends bewegen, lässt sich noch folgender physikalische  Satz anwenden: Ein Trend in Bewegung setzt sich mit größerer Wahrscheinlichkeit fort, als dass er sich umkehrt (Eine Abwandlung von Newton‘s ersten Satzes der Bewegung).

Der Gründer der Trendtheorie ist übrigens Charles Dow, der Namensgeber des berühmten Dow Jones Index.

3. Die Geschichte wiederholt sich

Dies hat viel mit Psychologie zu tun. Die menschliche Psyche verändert sich ungern. Man hat sogar herausgefunden, dass 98% der Gedanken repetitiv sind, das heißt, die Probleme, die Sie vor vielen Jahren hatten, tauchen meist erneut in der Zukunft auf (wenn auch in einer anderen Form), sofern Sie diese nicht mental bearbeitet haben. Aber das ist ein anderes Thema … Was hat das jetzt alles mit Chartanalyse zu tun? Naja, wenn das Verhalten der Vergangenheit dasselbe ist, wie das heutige, kann man Muster in den Charts der Vergangenheit suchen und schauen – wenn diese in den heutigen Charts auftauchen – wie der Markt damals reagiert hat und dies auf die Zukunft projizieren. Mit anderen Worte: Die Zukunft ist mehr oder weniger eine Wiederholung der Vergangenheit.

Die technische Analyse basiert auf diesen 3 Annahmen aus Wirtschaft, Physik und Psychologie. Wenn Sie den Annahmen persönlich nicht zustimmen, dann ist wahrscheinlich die Fundamentalanalyse eher etwas für Sie und insbesondere natürlich meine Börsenanleitung.

Die Chartanalyse in der Praxis

Um die Chartanalyse richtig anwenden zu können, muss man wissen, welche verschiedenen Charts es überhaupt gibt. Einen kleinen Exkurs über die Darstellungsmöglichkeiten von Kursen finden Sie hier.

Es geht also darum, in einem Chart bestimmte Muster zu suchen bzw. Techniken anzuwenden, die uns erlauben, Prognosen zu treffen oder zumindest sagen, in welche Richtung sich der Markt bewegen könnte.

Dazu gibt es eine Vielzahl von verschiedenen Möglichkeiten, von denn hier jetzt einige vorgestellt werden.

Trendlinie: Die wohl wichtigste Formation, weil Sie die Basis bildet. Mit einer Trendlinie können wir herausfinden, in welcher Phase eines Marktes wir uns gerade befinden. Sie erinnern sich: Entweder aufwärts, abwärts oder (ganz wichtig) auch seitwerts. Die meisten Analysten ignorieren dies, aber die Seitwertsbewegung macht ca. 1/3 des Gesamtbewegung aus. Hier ein Beispiel für einen Aufwärtstrend:

Chartanalyse Trendlinie

Der Dow Jones Index startet im Herbst 2011 seinen Aufwärtstrend, der bis Mitte 2015 anhält
Quelle: Comdirect.de


Trendkanal:
Wenn Sie jetzt auch noch die Hochpunkte der Kurse mit einer Linien verbinden, haben sie einen sogenannten Trendkanal. Trader benutzen dies um innerhalb eines Kanals bei Berühren der unteren Trendlinie zu kaufen (z.B. Ende 2012) und bei den Hochpunkten zu verkaufen (z.B. Mitte 2013).

Unterstützungslinien/Widerstandslinien: Wenn ein Aktienkurs zum wiederholten Mal eine bestimmte Marke nicht überschreiten kann spricht man von einem Widerstand. Man könnte eine Horizontale einzeichnen, die nicht übersprungen wird (siehe Titelbild dieses Beitrags). Ein Überspringen dieser Linie gilt als wichtiges Trendsignal. Bei der Unterstützung ist es umgekehrt der Fall, also wenn der Kurs zum wiederholten Mal auf dasselbe Tief fällt.

Gleitender Durchschnitt: Man wählt eine bestimmte Anzahl von Tagen, zum Beispiel 50 und berechnet das arithmetische Mittel davon. Am darauffolgenden Tag berechnet man das arithmetische Mittel der letzten 50 Tage usw …. Heraus kommt eine Linie, die einem die Trends aufzeigt: Wenn der Kurs die Linie von unten durchbricht, könnte dies ein Kaufsignal sein und wenn der Kurs die Linie von oben durchbricht ein Verkaufssignal. Nachteil: Man verpasst einen Großteil des Trends mit dieser Methode. Hier ein Beispiel:

Chartanalyse Gleitender Durchschnitt

Der DAX ab 2005: Wenn der Kurs (schwarz) die rote Linie von unten durchbricht, heißt das oft steigende Kurse in der Zukunft.
Quelle: Comdirect.de

Formationen in der Chartanalyse

Darüber hinaus gibt es viele Bilder, die aus Charts mit Hilfe der Chartanalyse herausgelesen werden können.

M oder W – Formation: Ein ,M‘ bekommt man, wenn ein Aktienkurs, zwei Hochpunkte bildet bei ungefähr demselben Preis und somit einen Widerstand bildet. Das Signal bedeutet oft: Hier geht es nicht mehr weiter und der Kurs wird fallen. Ein ,W‘ bekommt man, falls der Kurs zweimal ein Tief auf selber Höhe bildet, oftmals ein Kaufsignal.

Untertasse: Wenn ein Aktienchart über einen längeren Zeitraum eine sogenannte Untertasse bildet, ist das oft ein Signal zum Kaufen und für zukünftige Kurssteigerungen. Je ausgeprägter eine Signal ist (das gilt für alle Formationen), desto wahrscheinlicher ist die Prognose. Hier ein Beispiel an Hand des Goldpreises:

Chartanalyse Formation Gold

Eine ‚Untertasse‘ die über 7 Jahre ausgebildet wurde. Die Kursexplosion des Goldes danach hätte man also voraussehen können.
Quelle: Comdirect.de

Darüber hinaus gibt es noch viele weiter Formationen, wie zum Beispiel: Kopf-Schulter, Dreifachböden, Dreiecke, Flaggen, Wimpel, Keile, Rechtecke … um nur einige zu nennen. Dieser Artikel kann nicht alle Formationen abhandeln. Falls Sie tiefer in die Materie einsteigen wollen, empfehlen wir das Buch „Technische Analyse der Finanzmärkte“ von John J. Murphy.

Im nächsten Kapitel erfahren Sie alle wichtigen Informationen über die Fundamentalanalyse.

Die besten Resultate erzielen Sie wahrscheinlich, wenn Sie diese beiden Methoden nicht gegeneinander ausspielen, sondern beide in Ihre Anlageentscheidungen mit integrieren: Die Chartanalyse und die Fundamentalanalyse. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg.


Urheber des Titelbildes: © B. Wylezich, Fotolia.com

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