Fundamental unterbewertete Aktien?

*Letzte Aktualisierung: 13.02.2021*
Die meisten Anleger träumen (zumindest insgeheim) davon, so erfolgreich zu werden, wie Warren Buffett. Was gibt es also näherliegendes als Buffett’s Erfolgsgeheimnis zu kopieren – zu mal es so einfach klingt: Suche Unternehmen, die an der Börse fundamental gesehen unterbewertet sind und halte diese Aktien so lange wie möglich. Im folgenden Artikel wollen wir uns kritisch mit der Fundamental – Analyse auseinandersetzen und zeigen, dass diese Vorgehensweise schwieriger ist, als es zu sein scheint.
Wenn du nicht so genau weißt, was es mit Fundamentalanalyse auf sich hat, würde ich dir diesen Text zunächst empfehlen.

Also zunächst einmal gibt es keine Formel, mit der man genau bestimmen könnte, wie viel ein Unternehmen wirklich wert ist. Denn wenn man wüsste, dass ein Unternehmen zum Beispiel 100 Mio € wert ist und an der Börse mit 30 Mio € bewertet ist (also Anzahl der Aktien * Aktienkurs = 30 Mio €), dann wäre das reich werden echt (zu) einfach. Allerdings nur, wenn man davon ausgeht, dass sich langfristig der Wert des Unternehmens an der Börse und der wahre „innere“ Wert des Unternehmens annähern.

Den Anfang machte Graham, der berühmte Lehrer von Buffett:
Er kaufte nur Aktien, wenn die Marktkapitalisierung eines Unternehmens kleiner war, als das Umlaufvermögen minus die Verbindlichkeiten des Unternehmens. Die Idee dahinter war folgende: Würde man das Unternehmen komplett kaufen und in seine Einzelteile zerlegen (=Liquidationserlös), dann sollte dieser Wert größer sein, als seine Marktkapitalisierung. Somit kann man sich sicher sein, dass das Unternehmen in Wahrheit mehr wert ist, als es an der Börse gehandelt wird. Zudem ist dieser Wert recht konservativ, da das Anlagevermögen überhaupt nicht beachtet wird.
Allerdings werden sie heute kaum noch Aktien finden bei denen diese Begebenheit zutrifft. Die meisten Aktien sind deutlich höher bewertet. Eine Erklärung hierzu ist einfach: Bei der Bewertung von Unternehmen werden die zukünftigen Gewinne des Unternehmens mit einberechnet. Angenommen, sie kaufen das obige Unternehmen für 100 Mio € und das Unternehmen macht jedes Jahr Gewinne von 35 Mio €, dann hätte sich diese Anschaffung nach schon 3 Jahren amortisiert und ab dem vierten Jahr geht der Jahresüberschuss komplett an Sie. Folglich wäre es also ein richtiges Schnäppchen! Deshalb braucht man für eine faire Bewertung eines Unternehmens die zukünftigen Gewinne und die müssen eben geschätzt werden, was die ganze Sache so kompliziert macht.
Die zukünftige Ertragslage eines Unternehmens ist folglich das A und O, wenn es um das Investieren geht.

Gedeihende Unternehmen herauszupicken ist das Ziel der Fundamentalanalyse
Quelle: Free Licence

Die entscheidende Frage ist also: Denken Sie, dass sie in der Lage sind den Jahresüberschuss eines Unternehmens über die nächsten Jahre zuverlässig voraus zu sehen?
Eine wichtige Frage, die Sie sich bei Ihrem Investment stellen könnten, lautet: Nach wie vielen Jahren hat sich die Investition gelohnt?

Rechenbeispiel Fundamental – Analyse

Bevor wir uns weiter dieser Frage widmen, möchten wir uns ein kleines Beispiel ansehen, wie wir uns einer Bewertung nähern – an Hand der Continental AG:

Die Marktkapitalisierung der Continental AG im Jahr 2013 lag bei 31.881,594 Mio €. Das Unternehmen wurde an der Börse also auf knapp 32 Milliarden € taxiert.
Im nächsten Schritt addieren wir das Anlagevermögen + Umlaufvermögen + Eigenkapital – Verbindlichkeiten und subtrahieren diesen Wert (=18.644,4 Mio. €) von der Marktkapitalisierung: 31881,6-18644,4= 13.237,2. Das ist der Wert, mit dem das Unternehmen an der Börse „überwertet“ ist, wenn man nur die aktuelle Bilanz zu Grunde legt und Gewinn/Verluste in Zukunft außer Acht lassen würde.
Der Gewinn nach Steuern lag im Jahr 2013 bei 1923,1 Mio. €. Wenn wir nun 13.237,2/1923,1 berechnen, bekommen wir als Resultat knapp 7 (6,88). Das bedeutet folgendes: Bei gleichbleibenden Jahresüberschüssen wären in dem jetzigen Marktpreis schon die Gewinne der nächsten 7 Jahren im Preis enthalten. Mit anderen Worten: Die jetzige Marktkapitalisierung (2013) spiegelt den „fairen“ Wert des Unternehmens im Jahr 2020 wider, wenn in den nächsten 7 Jahren der Jahresüberschuss von je 1923,1 Mio. € erwirtschaftet wird.
Das KGV lag im selben Jahr bei 16,57 (31881,6/1923,1). Also etwas mehr als das doppelte, was auch Sinn macht: Ein KGV von 16 sagt Ihnen, dass sich ihr Investment in 16 Jahren verdoppelt (Voraussetzung die Gewinne bleiben konstant und und die Aktien ohne große Marktbewegung). Bringen wir unser obiges Ergebnis noch kurz in Relation zum KGV: Nach 16,57 Jahren haben Sie laut KGV ihren Gewinn verdoppelt. Wenn Sie nun (16,57-6,88)*1923,1 rechnen, kommen Sie auf 18644,4 Mio. €, also auf genau den wahren Wert des Unternehmens. So macht auch die Aussage des KGV’s Sinn: Ab dem Zeitpunkt des wahren Wertes bis zum KGV Zeitpunkt verdoppeln Sie Ihr Investment, weil Sie genau den wahren Wert des Unternehmens verdoppeln. Wenn im aktuellen Marktpreis schon die Gewinne der nächsten 7 Jahre enthalten sind, kann Ihre Aktie also (zumindest theoretisch) erst ab dem achten Jahr überhaupt Gewinne erwirtschaften, bei gleichbleibenden Rahmenergebnissen. Die Realität sieht natürlich anders aus: Der Kurspreis ändert sich ständig und die Gewinnprognose wird höchstwahrscheinlich auch mehrfach revidiert werden.
Besser ist es sowieso ein Durchschnitts KGV der letzten Jahre zu nehmen. Das KGV der Continental AG 2010 lag bei 20,53, während das von 2011 bei 7,74 lag. Diese Werte innerhalb 2 Jahre sind soweit voneinander entfernt, dass sie jeglicher seriösen Investitionsgrundlage entbehren.

Um noch einmal zur obigen Frage zurück zu kehren: Wenn Sie ein Unternehmen fair bewerten wollen, müssen Sie die zukünftigen Gewinne des Unternehmens kennen. Je mehr Jahre Sie voraussehen können, desto genauer wird ihre Bewertung. Um einen Gewinn zu schätzen brauchen Sie Detailwissen:

  • Wie verändert sich der Marktanteil des Unternehmens in den nächsten Jahre?
  • Welche Zinslast fällt an?
  • Wie entwickeln sich die Exporte?
    etc. …

Wer kann schon in die Zukunft sehen?
Quelle: Free Licence

All das, ist nicht nur für einen Privatanleger doch sehr schwierig zu realisieren und funktioniert natürlich auch nur, wenn das Unternehmen zum aktuellen Stand fair bewertet ist, weil oft sind die Gewinne der nächsten Jahre ja schon im aktuellen Marktpreis eingepreist!
Das führt zu einem weiteren Problem: Wenn Sie sich auf die vielen Analysen der großen Investmentbanken verlassen, dann haben Sie auch keinen Wettbewerbsvorteil, denn diese Empfehlungen finden Sie auf jeder Internet – Finanzseite. Sie wollen ja eine „Bewertungslücke“ schließen, also ein Unternehmen finden, dass in Wahrheit viel mehr wert ist, als zum jetzigen Zeitpunkt und wenn alle diese Bewertungslücke kennen, dann ist diese eben meist schon geschlossen oder zumindest die Erwartungshaltung größer als die tatsächliche Bewertungsdifferenz. Das heißt im Umkehrschluss, dass Ihre Gewinnprognose höher ausfallen sollte, als die der Experten und das erhöht natürlich auch das Risiko ihres Investments, wenn es dann doch anders kommt.

Selbst für Profi – Analysten dürfte es schwer sein, die Gewinne der nächsten Jahre zu schätzen. Denn wer weiß, ob Continental in ein paar Jahren überhaupt noch Reifen produziert, wenn Google schon mit seinem vollautomatisierten Elektroauto vorbeiflitzt.

Natürlich ist die Fundamental – Analyse kein Ding der Unmöglichkeit und Buffett hat es uns ja schon gezeigt, das es möglich ist. Dennoch ist es für einen Privatanleger besonders schwierig, diesen Ansatz zu verfolgen und viele Aktien die anscheinend steigen, weil sie fundamental unterbewertet seien, steigen auch einfach, weil ein allgemeiner Bullenmarkt herrscht und eben (fast) alle Aktien steigen. Wenn Sie das nächste Mal jemanden treffen der Ihnen sagt, dass das Unternehmen fundamental unterbewertet ist, dann lohnt es sich schon einmal genauer hinzuhören, wie das Unternehmen analysiert wurde. Natürlich helfen viele Kennzahlen (KGV, KBV, EKQ ….) um ein Unternehmen unter die Lupe zu nehmen, aber das sind in der Regel auch vergangenheitsorientierte Kennzahlen – oder eben Prognosen.

Wir halten es lieber mit dem berühmten Sprichwort: 90 % der Börse ist Psychologie. Die Aktien steigen eben, weil sie steigen und fallen, weil sie fallen, um es mal etwas provokativ auszudrücken.

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