Die 20 goldenen Regeln der Börse

*Letzte Aktualisierung: 13.08.2022*

Einleitung


Gleich mal als Warnung vorab: Die folgenden 20 Regeln sind keine objektiv allgemein anerkannten Börsengesetze, die in irgendeinem Lehrbuch stehen, sondern sind wichtige Aspekte dich ich aufgrund meiner Börsenerfahrung als nennenswert empfinde – rein subjektiv und sehr wahrscheinlich nicht vollständig. Einige Regeln sind sicherlich obligatorisch, während andere das Prädikat optional bekommen könnten. Nicht jeder ist für alle typischen Börsen“fehler“ (Fehler sind zum Lernen da) anfällig, aber es schadet bestimmt nicht sich anzusehen, woran man alles arbeiten kann. Viel Erfolg dabei.


Regel Nummer 1: Vermeide gängige Börsenfehler und Psychofallen


Es folgt eine Kurzbeschreibung von Fehlern, von denen sich in der Vergangenheit herauskristallisiert hat, dass sie gern von der breiten Masse (vor allem) der Privatanleger begangen werden. Selbstverständlich ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

  • Homebias: Überproportionale Fokussierung auf Unternehmen aus deiner Region beziehungsweise aus deinem Land.
  • Fehlende Diversifizierung: Gefahr der Bildung von Klumpenrisiken. Diversifikation bedeutet: verschiedene Anlageklassen und weltweit. Auch bekannt unter „nicht alle Eier in einen Korb legen“.
  • In die Aktie verlieben: Gibt es tatsächlich und resultiert im Ausblenden von schlechten Nachrichten und einer sehr einseitigen selektiven Wahrnehmung. Die klassische Rosa Brille.
  • Anker: Mentales Konzept, welches einen typischen Börsenfehler beschreibt. Beispiele: a) Du möchtest die zukünftigen Chancen deiner Aktien einschätzen (evtl. nachkaufen) und machst dies unbewusst davon abhängig, ob du gerade in der Verlust oder Gewinnzone bist, obwohl dies voneinander unabhängige Ereignisse sind. b) Klassisches Spiel: Schreibe deine Telefonnummer auf Papier und beantworte danach eine Quizfrage (zB. Wie hoch ist der Berliner Fernsehturm). Viele Studien zeigen, dass in der Regel die Telefonnummer mit der eigentlich davon unabhängigen Antwort der Quizfrage korreliert (also je größer die Telefonnummer desto höher die Schätzung des Turms und vice versa). „Anker“ bedeutet also, dass du ein vorheriges Ereignis mental „verankerst“ und es zukünftige Entscheidungen beeinflusst, auch wenn es eigentlich unabhängige Tatbestände sein sollten.
  • Trotzreaktion: Wenn man es nicht wahrhaben will, dass die Aktien, die man mühevoll ausgesucht hat doch nicht steigen (oder gar fallen) und dann entschieden nachkauft – aus Prinzip.
  • Gewinne zu früh realisieren: Gerade am Anfang freut man sich so sehr über die richtige Entscheidung, dass man oftmals zu früh verkauft. Analog hierzu: „The trend is your friend“. Das verfrühte Verkaufen wird oftmals durch Ungeduld hervorgerufen.
  • Kosten vernachlässigen: Kostenminimierung bringt meisten mehr als Wertpapier auswählen.
  • Verluste nicht begrenzen: Verluste immer weiter laufen lassen mit der Hoffnung, dass sich diese irgendwann wieder erholen. „Verluste begrenzen und Gewinne laufen lassen“ ist allerdings eine alte Börsenweisheit. Klassisches Vogel-Strauß-Prinzip: Kopf in Sand stecken und auf Besserung in Zukunft hoffen.
  • Hin und her macht Taschen leer: Jeder Trade oder Portfolioumschichtung verursacht Kosten, die erst wieder erwirtschaftet werden müssen.
  • Die Hausse nährt die Hausse: Alte Börsenweisheit die besagt, dass steigende Kurse weitere Investoren anlockt (man will ja nix verpassen) und es zu einer Eigendynamik kommt. Meines Wissens sogar empirisch belegt.
  • Mit Market-Timing den Markt schlagen: Kaufen wenn die Kurse niedrig sind und verkaufen wenn sie hoch sind, das ist der Plan vieler Anleger, aber in der Praxis sehr schwierig umzusetzen.
  • Fokussierung auf Einstandspreise: Für deine Tradingentscheidung sollte es eigentlich irrelevant sein, welchen Preis du in der Vergangenheit für eine Aktien bezahlt hast. Manchmal wird der Ratschlag gegeben, die Einstandspreise im Depot auszublenden. Naja, Ratschläge sind auch irgendwie Schläge … ist nur eine Möglichkeit.
  • Eine falsche Benchmark benutzen: Man kann im Prinzip immer den Markt schlagen, wenn man eine entsprechende Benchmark benutzt. Dann kommt es zu einem Apfel-Birnen Vergleich: Unterschiedliche Risiken werden in einen Topf geworfen.
  • Affekthandlungen: Lieber noch einmal eine Nacht darüber schlafen. Impulskäufe gehen oft in die Hose.
  • Ins fallende Messer greifen: Aktien die tief fallen sehen oft verlockend günstig aus. Aber Achtung: oftmals hat der Absturz einen triftigen Grund (Beispiel Wirecard). Analog hierzu der „Aldi-Reflex“ (Aktien werden gekauft, weil sie sehr günstig zu sein scheinen).
  • Die Hausse stirbt mit der Euphorie: Alte Börsenweisheit: Je euphorischer die Stimmung wird desto wahrscheinlicher ein baldiger Crash. Außerdem deutet der Satz darauf hin, dass der Crash meistens punktuell plötzlich kommt und sich nicht über einen längeren Zeitraum anbahnt.
  • Zu spät einsteigen: Sobald selbst am Stammtisch über die Techrallye gesprochen wird, ist es für einen Einstieg wahrscheinlich zu spät. Analog: „Kaufen wenn die Kanonen donnern“, also dann wenn der pessimistischste Zeitpunkt gekommen ist, aber nicht zu früh, um das fallende Messer zu umgehen.
  • Zu gierig sein: „Gier frisst Hirn!“. Ein bekannter Satz an der Börse – seit Jahrzehnten.
  • Kontrollillusion: Falsche Sicherheit bekommen durch Erfolge die eventuell per Zufall entstanden sind. „Ich habe alles im Griff“. Sich nicht hinterfragen und unkritisch sein: „Kam die Performance wirklich aufgrund meiner Strategie zustande oder hätte ich dasselbe auch ohne erwirtschaftet?“ Es gibt keine 1 zu 1 Beziehung zwischen Strategie und Rendite.
  • Gegen die Notenbanken spekulieren: Das kann wirklich nur schief gehen.
  • Zu ängstlich sein: Verluste sind normal und begegnen jedem Investor früher oder später.
  • Selbstüberschätzung: In der Regel nimmt die Risikobereitschaft mit der Erfahrung zu und man fühlt sich immer sicherer in einem Umfeld, dass durch Unsicherheit charakterisiert ist. Betrifft laut Studien vor allem Männer. Eng verwandt mit der Kontrollillusion: Man hat alles im Griff: Erfolge werden dem Können zugeschrieben, obwohl diese eventuell zufällig entstanden sind (und Misserfolge sind dann natürlich Pech).
  • Humankapital unterschätzen: Auch wenn es vielleicht nicht so viel Spaß macht: Eine Weiterbildung oder ein Karrieresprung im Beruf erhöht die Einnahmen in der Regel deutlich mehr, als sich entsprechende Zeit mit Wertpapieren auseinanderzusetzen. Insbesondere interessant für Vollzeittrader.
  • Mentales Story-telling: „Die Chinesen werden immer wohlhabender und konsumieren mehr Kaffee. Zusammen mit der aggressiven Expansionspolitik in Fernost von Starbucks, muss die Starbucks Aktie bald durch die Decke gehen“. Bei solchen Überlegungen ist meistens der Wunsch der Vater des Gedanken. Ich glaube, dass ist der Punkt, wo auch die meisten professionellen Investoren schwach werden. Statistisch gesehen gibt es in Wachstumsbranchen übrigens keine Überrenditen einzusammeln.
  • Zu optimistisch sein: Viele Anleger schätzen die Gewinnaussichten höher ein, als dass sie tatsächlich sind.
  • Experten vertrauen: siehe auch Inhaltspunkt 4: Niemand kann die Zukunft voraussehen.
  • Unterschätzung der Risiken: No pain, no gain. Rendite kommt von Risiko. Es gibt an der Börse nichts geschenkt. Wer hohe Renditen erwirtschaften möchte, muss das entsprechende Risiko tragen (there is no free lunch). Auch versteckte (nicht offensichtliche) Risiken gut möglich. Kritisch bleiben.
  • Verlustaversion: Risiken werden nach schlechten Erfahrungen zu hoch eingeschätzt und man vermeidet eventuell sinnvolle Trades. Also fast ein bisschen das Gegenteil von dem vorherigen Punkt.
  • Diesmal ist alles anders: In der Vergangenheit ist bis jetzt noch jede Aktienblase irgendwann geplatzt. Fast alle Szenarien hat es an den Börsen schon gegeben (von Währungsreformen über Hyperinflation und Staatsbankrott). Es ist unklug, dass man aus der Vergangenheit gelerntes über den Haufen wirft.
  • Orientierung an Performance der Vergangenheit: Ein klassischer Fehler. Es werden diejenigen (aktiven) Fonds bevorzugt, welche besonders gut in der Vergangenheit abgeschnitten haben.
  • Gleichsetzen von Börse und Realwirtschaft: Hohe BIP Wachstumszahlen gehen nicht zwangläufig mit hohen Renditen einher.
  • Warten: Der richtige Zeitpunkt um mit einem ETF-Sparplan zu starten ist immer jetzt. Alles andere ist Market-timing und statistisch betrachtet renditeschmälernd. Wer den Crash auslässt verpasst auch die anschließende „Aufwärtsbewegung.“
  • Recency bias: eng verwandt mit dem sogenannten Momentum Effekt: Die jüngerer Vergangenheit ist präsenter als weiter zurückliegende Events. Also im Bullenmarkt wird davon ausgegangen, dass die jüngst steigende Aktie auch weitersteigt.
  • Kauf von Wertpapieren die man nicht versteht: Sollte selbstsprechend sein.
  • Sich selbst belügen: Ist sehr einfach und schmerzfrei. Nachhaltig sinnvoll ist es aber nicht und führt teilweise zu falschen Schlussfolgerungen und Misstrades an der Börse.
  • Nur realisierte Gewinne sind Gewinne: Manchmal tendiert man dazu Buchgewinne (also wie sie im Depot angezeigt werden) schon mental als Gewinn zu verbuchen („ich habe 1000 € Plus gemacht“), aber solange diese nicht realisiert werden, solltest du von solchen Aussagen eher absehen und es auch nicht als Gewinn betrachten. Andererseits aber auch „Gewinne laufen lassen“ beachten.

Regel Nummer 2: Übertrage Weltklugheit auf die Börse


Regel 2 beginnt gleich mit einem ziemlich sperrigen Begriff: „Weltklugheit“. Das Wort hab ich von Charlie Munger (dem Investitionspartner von Warren Buffett) übernommen und soll grob darauf hindeuten, dass an der Börse verschiedenste Umwelteinflüsse zusammenkommen und es nicht nur ausreicht, sich gut im Thema Finanzen auszukennen, sondern dass für den Erfolg eine gewisse Lebensweisheit vonnöten ist. Die Börse wird durch den Mensch charakterisiert und spiegelt alle Emotionen wider, aber auch alle anderen universelle und physikalische Gesetze haben Bestand. Ein kleines Beispiel: Es gibt in der Natur des Menschen ein „Gesetz“ mit dem Namen „Regression zur Mitte“: Kinder von kleinen Eltern werden im Durchschnitt proportional größer als Kinder von großen Eltern. Denn wenn es keinen Deckel gäbe, würden die Menschen ja automatisch irgendwann 5 Meter groß oder eben nur 50 cm klein werden. Dieses physikalische Konzept oder Gesetz (im Zusammenspiel mit actio und reactio bzw. Ying und Yang) könnte die Grundlage von Spekulationsblasen (nach oben) und Börsencrashs (nach unten) sein, also eine Art Selbstbereinigung von aus den Fugen geratenen Bewegungen.
Das war jetzt sehr allgemein und vielleicht noch wenig hilfreich, aber ich möchte darauf hinaus, dass die Börse eigentlich kein Finanzplatz ist, sondern ein Drehkreuz für allerlei unterschiedlichster Strömungen aus den Bereichen Psyche, Wirtschaft, Politik, Physik und Kunst.

Mein Tipp lautet: Habe die Börse stets im Hinterkopf
Wenn du dich irgendwo gut auskennst, kannst du sehr oft auch auf irgendeine Art und Weise an der Börse davon profitieren. Der Börsencrash Anfang 2020 war an sich eine Medizinkrise und die meisten Banker wurden auf dem falschen Fuß erwischt. Ein Arzt, der sich mit Pandemien auskennt und schon irgendwie das globale Ausmaß geahnt hätte, wäre jetzt eventuell reich, wenn er gleich an die Börse gedacht hätte (mit 2x hätte und 1x wäre habe ich grad selbst Regel Nummer 5 konterkariert).
Tipp Nummer 2: Beobachte die Umwelt und schaffen den Transfer. Hierzu noch ein weiteres kleines Beispiel:

Die früheren ipods werden teilweise für mehrere hunderte oder sogar tausende Euro auf Ebay verkauft
Quelle: free licence

Der erste Ipod von Appple kam im Jahr 2001 auf den Markt und kostete 1000 D-Mark. Apple war also schon damals ziemlich teuer. Was hingegen ziemlich billig war, war die Apple-Aktie zum damaligen Zeitpunkt, denn sie kostete lediglich 0,4 Dollar! Was kann man daraus schließen: Statt dem Ipod hätte man am besten für das gleich Geld Apple Aktien gekauft und hätte das Geschäft seines Lebens abgeschlossen. Denk am besten auch immer an die Börse! Solche Chancen gibt es immer wieder, sind aber natürlich nicht leicht zu erkennen. Auch die Tech Ralley 2020 kam nicht ganz aus dem Nichts: Statt der allgemeinen Pandemie Sorge, fokussiert man sich am besten sofort auf etwaige Chancen der Krise. Und wenn man dann noch ein bisschen um die Ecke denkt und Wahrscheinlichkeiten einordnen kann, bekommt man bestimmt seine Chance.


Regel Nummer 3: Kaufe keine Wertpapiere auf Kredit


Sollte eigentlich selbstverständlich sein, ist es aber nicht unbedingt und ich muss zugeben, dass ich mich persönlich selbst einmal dazu habe hinreißen lassen und es ist prompt schiefgelaufen. Was war passiert? In einer sehr spannenden Marktphase wollte ich eine (short) Bewegung unbedingt mitnehmen, aber war leider nicht liquide und habe daher einen Ratenkredit in Höhe von 15.000€ aufgenommen. Ich war mir sehr sicher, dass ich richtig liege und es war über Monate vorbereitet und alle meine Indikatoren haben sich gegenseitig bestätigt. Am Ende lag ich wenigstens mit der Marktrichtung richtig aber das Timing war so schlecht, dass ich Geld verloren habe (nicht allzu viel aber die Kreditzinsen in Höhe von 800 € musste ich auch erst wieder zusammensparen), obwohl im Prinzip das eingetreten war, was ich mir ursprünglich überlegt hatte. Merke: Selbst wenn du die Marktrichtung eines Wertpapiers richtig voraus sagst, heißt es noch lange nicht dass du zwangsläufig Gewinne machst. Es gibt sogar Trader die werfen morgens eine Münze ob sie long oder short gehen sollen und versuchen dann rein über Moneymanagement beziehungsweise Timing zu traden. Was du dir auch stets im Hinterkopf behalten solltest ist, dass immer etwas passieren kann an der Börse, was deine komplette Strategie ad absurdum führt. Die Börse ist dermaßen komplex und es gibt so viele Akteure, dass du nie davor gefeit bist. Egal wie sicher du dir bist und was du bisher erreicht hast: rechne auch immer mit dem Gegenteil von dem was du denkst. Gefährlich ist auch eine Schuldenspirale, also weitere Kreditaufnahmen um Verluste wieder wettzumachen. Außerdem sind Entscheidungen schlechter, umso höher der Erfolgsdruck ist. Also bitte nicht nachahmen.
Ich denke, dass vor allem Gier und Selbstüberschätzung (auch bei mir) diese Regel Nummer 3 konterkarieren. Nicht auf Kredit zu investieren heißt im Umkehrschluss natürlich auch, dass du über genügend Vermögen und liquide Mittel verfügst. Ansonsten gibt es aber auch noch Sparpläne, also Vermögensaufbau ohne großes Startkapital.


Regel Nummer 4: Übernehme Verantwortung


Wenn du die Börsenanleitung gelesen hast, dann weiß du, dass es im Prinzip keine wirklichen Aktien-Auswahl-Profis gibt. Also es gibt viele die sich gut auskennen, aber kaum jemand ist über längere Zeit besser als die Benchmark. Man könnte etwas überspitzt sogar sagen: Die meisten Investoren (auch die professionellen) wären erfolgreicher, wenn sie im selben Zeitraum einfach „nichts“ getan hätten (und einen ETF auf die Benchmark gekauft hätten). Bedenke: Die meisten Buchautoren, Experten, Börsenbriefherausgeber und Zeitschriften verdienen ihr Geld durch dich (wenn du die Produkte kaufst), aber nicht weil sie selber so erfolgreiche Trader wären. Ich habe selber sehr viele Bücher über die Börse gelesen und es hat mir schon auch weitergeholfen, neue Impulse gegeben und den Horizont erweitert, aber wenn es rein um das Ergebnis am Ende geht (die Rendite) hat es eigentlich wenig gebracht… Verantwortung übernehmen soll in diesem Zusammenhang darauf abzielen, dass du dir die Sache selber zutraust und nicht abhängig von fremden Input bist. Ich bin wirklich davon überzeugt, dass du nicht mehr wissen musst, als dass was in meiner Börsenanleitung steht. Das heißt du brauchst auch keine entgeltlichen Online Kurse oder Webinare buchen!
Außerdem spreche ich auch von der mentalen Komponente: Stehe zu deinen Fehlern und versuche sie in Zukunft zu vermeiden. Niemand anders ist für deine Verluste verantwortlich sondern immer du. Mache Fehler und lerne daraus. Verrückt ist nur derjenige, der die gleichen Fehler immer wieder macht (Ist das nicht ein Einstein Zitat?).


Regel Nummer 5: Werde gleichmütig


Gleichmut ist eine sehr edle Eigenschaft und ist unbedingt von Gleichgültigkeit zu unterscheiden. Gleichmut ist meiner Auffassung nach sehr eng verwandt mit Annahme und dem Aufgeben von innerem Widerstand, der in der Regel keinen Zweck hat und meistens in Leid mündet. Was bedeutet das nun konkret für die Börse? Einerseits sollte man versuchen an seiner Mentalität zu arbeiten: „Hätte“ und „wäre“ sind zwei Wörter die du am besten aus deinem Kopf verbannst, denn an der Börse macht dich das nur verrückt. Es gibt so viele Entscheidungen zu treffen und man wird immer auch mal daneben liegen und zuschauen müssen, wie die gerade verkauften Aktien plötzlich anfangen zu steigen und die, die man stattdessen gekauft hat, dümpeln nur vor sich hin. Das was die Energie raubt, ist vor allem die Tatsache, dass man immer eine Begründung findet, warum man es eigentlich ja schon geahnt hatte und in Wirklichkeit gar nicht machen wollte …

Nach jedem Unwetter scheint wieder die Sonne: Im persönlichen Leben und auch an der Börse
Quelle: free licence

Auch muss man aufpassen an der Börse nicht von Emotionen mitgerissen zu werden. Ständig kommt es zu irgendwelchen Hypes und Trends, die man anscheinend nicht verpassen darf, sich aber im Nachhinein oft herausstellt, dass man gar nicht auf den Zug hätte aufspringen müssen. Ein kleines Beispiel: Vor vielen Jahren (oder waren es schon Jahrzehnte?) kam es zum ultimativen Rohstoff-Hype an der Börse: Die Welt wird immer globaler, die Ressourcen sind endlich, die Entwicklungsländer verbrauchen immer mehr … die Schlussfolgerung war, dass die Rohstoffe ja nur noch im Preis steigen können. Es gab kaum eine Zeitschrift oder ein Experte, der nicht dringend zu Rohstoffen geraten hatte. Viele Jahre später (nämlich Anfang 2020) notiert der Öl Preis erstmals negativ(!), was lange als unvorstellbar gegolten hatte. Die Entwicklung geht eben auch in anderen Bereichen weiter (z.B. Fracking und Elektromotore) et cetera.
Aktuelle Hypes sind die Wasserstoff-Aktien (wo ich eigentlich auch kaum widerstehen kann) und davor waren es eventuell Bitcoins.


Regel Nummer 6: Handel diszipliniert


Ich denke, dass eine gute Mischung aus Disziplin und Gefühl erfolgsversprechend sein kann. Sicherlich werden viele Entscheidungen intuitiv getroffen (das klassische Bauchgefühl), aber dennoch haben Spontanhandlungen und Impulsiventscheidungen an der Börse im Normalfall nichts verloren. Das gilt auch gerade beim Kauf und Verkauf von Wertpapieren: Manch ein erfahrener Trader rühmt sich mit einer gnadenlosen Verkaufsdisziplin.


Regel Nummer 7: Lerne etwas über Money- und Risiko- Management


Die meisten Medienberichte zielen darauf ab, was du tun sollst (kaufen vs. verkaufen), wann der richtige Zeitpunkt ist (Markttiming) und welche Wertpapiere (Daimler, Lufthansa … ).
Aber es gibt noch eine weitere unheimlich wichtige Komponente, nämlich die Frage nach wie viel?
Und schon wären wir beim Thema Geldmanagement. Wenn du bei google „Geldmanagement“ eingibst, bekommst du allerdings eher nutzlose Tipps (zumindest meiner Meinung nach) im Sinne von „erschaffe ein Money Mindset“ und „spare mehr als du ausgibst“. Das liegt daran, dass heutzutage Coach sein total trendy ist und das Gefühl vermittelt wird, dass alles ganz einfach über den Kopf geht. Mich nervt das ehrlich gesagt eher ein bisschen und ich spreche hier von einer anderen Art Geldmanagement, nämlich sowie es beim Trading und bei der Portfolio Strukturierung zu Tragen kommt. Manche Trader behaupten auch Geldmanagement wäre überhaupt das Wichtigste beim ganzen Trading. Wie dem auch sei, festzuhalten ist auf jeden Fall, dass es aus der stiefmütterlich behandelten Ecke heraus sollte und einen wichtigen Baustein bei deinen Trades darstellt. Im Prinzip handelt es sich um klar definierte Regeln, die das Tradingvolumen, den Aufbau von Positionen und die Portfoliohandlungen allgemein regeln. Hier eine kleine Auswahl an möglichen wichtigen Selbstbeschränkungen:
a) Maximal X% deines Gesamtkapitals stehen dir zum Traden generell zur Verfügung. Der Rest wird niemals angetastet.
b) Der Verlust eines einzelnen Trades darf X% des Gesamtportfolios nicht übersteigen. Dieser sollte im Vorhinein durch Stops festgelegt werden.
c) Das CRV (=Chance-Risiko-Verhältnis) ist die wohl bekannteste Kennzahl zum Thema Risikomanagement. Sie berechnet sich aus (Gewinnstop-Einsteindspreis)/(Einstandspreis-Verluststop). Je höher das CRV, desto geringer kann analog die Trefferquote sein, um trotzdem Gewinne zu erzielen. Ich möchte an dieser Stelle nicht näher darauf eingehen, gebe aber zu bedenken, dass ein hohes CRV (also das setzen eines hohen Gewinnmitnahmestops) mit einer geringeren Eintrittswahrscheinlichkeit „erkauft“ werden muss und deshalb noch lange kein Garant für Profit ist. Wenn du allerdings immer nur Trades mit zum Beispiel einem CRV von > 3 eingehst, kannst du langfristig eventuell schon dein Trading verbessern. Schlussfolgerung: Das CRV jeder eingegangenen Position sollte größer als X sein.
d) Immer auch mit Stops arbeiten: Wenn du häufig und viel tradest, dann sind schützende Stops deine „Lebens“-Versicherung, können aber selbstverständlich auch für Menschen die eher wenig traden sehr sinnvoll oder gar ein ‚Muss‘ sein.
d) Pyramidisieren: Viele Investoren setzen nicht gleich alles bei einem Trade sondern bauen die Position nach und nach auf. Beispiel: Wenn du denkst jetzt wäre eine gute Gelegenheit um Daimler Aktien zu kaufen, dann kannst zu z.B. erst 40% deines dafür eingeplanten Geldes einsetzen und dann etwas später nochmal 30% und 20% und zum Schluss noch einmal 10%. Dies eliminiert das Risiko, wenn es doch mal erst bergab gehen sollte und dann kaufst du sogar billig nach, ähnlich wie bei einem Sparplan. Die Prozentsätze sind natürlich frei wählbar.
e) Was machst du am besten nach einer Gewinn/Verluststrähne?
Das ist oftmals besonders schwierig zu beantworten … und es gibt kein richtig oder falsch. Wenn du Gewinne realisiert(!) hast, solltest du dann nachkaufen, weil es so gut läuft (mit der Gefahr, dass diese wieder wegschmelzen)? und beim Verlust? erst recht nochmal zuschlagen um die Verluste wettzumachen mit dem Risiko, dass das komplette Geld weg ist? In der Regel (nicht immer!) ist es klüger nach einem Gewinn die Füße still zu halten und bei einem Verlust Geld zu investieren. Also genau gegenteilig zu dem was man vielleicht intuitiv machen würde. Nach einer Gewinnmitnahme würde man in den eventuell schon überkauften Markt erneut hineingehen mit geringerem CRV.


Regel Nummer 8: Du solltest investieren, nicht traden/ Nicht auf das schnelle Geld hoffen


Schneller Reichtum (Armut) an der Börse geht mit dem entsprechenden Risiko einher: Also in der Regel hohe Hebel bei relativ geringem Kapitaleinsatz. Das mündet meistens irgendwann im Totalverlust und ich kenne auch einen erfahrenen Trader, dem genau das passiert ist. Ich will an dieser Stelle kann nicht damit anfangen, die Zahlen von CFD’s zu auseinanderzunehmen, deswegen nur kurz: Dein Erwartungswert ist nicht positiv! Also lasse einfach die Finger davon. Es lohnt sich nicht diese Erfahrung zu machen. Vielleicht passend hierzu ein Zitat des Altmeisters Kostolany, welches ich auch auf Instagram gepostet habe:

„Ich kann Ihnen nicht sagen, wie man schnell reich werden kann, aber ich kann Ihnen sagen, wie man schnell arm werden, indem man versucht schnell reich zu werden“

Viel Geld in wenig Zeit mit wenig Einsatz? Im Lotto möglich, aber an der Börse zum Scheitern verurteilt
Quelle: free licence

An dieser Stelle ist es mir auch noch einmal wichtig, dich zu sensibilisieren, nicht auf unseriöse Lockangebote reinzufallen. Die jährliche Rendite von großen Unternehmen in Deutschland lag in den letzten 50 Jahren bei ca. 5% (pro Jahr). In guten Marktphasen ist sicherlich auch mehr drin, aber monatliche Renditen von 3-5 % sind völlig unseriös und so gut wie niemand erwirtschaftet das! Und falls doch immer mit entsprechendem Risiko des Totalverlustes. Ich hatte erst neulich wieder so eine Werbeanzeige gesehen, deswegen der Hinweis.
Investieren vom Spekulieren auseinanderzuhalten ist in Einzelfällen nicht immer einfach oder eindeutig: Wenn Du keine Hebel einsetzt und keine Knock-out Barrieren beachten musst, nicht auf fallende Kurse setzt und vom Zeithorizont eher langfristig denkst, dann bist du sehr wahrscheinlich ein Investor und kein Spekulant. Also nochmal: Bitte keine CFD’s, binäre Optionen, gehebelte Zertifikate und gleichgelagerten Dinge kaufen!
Früher (vor Zeiten der Abgeltungssteuer) gab es eine Spekulationssteuer, wenn man das Wertpapier innerhalb von 12 Monaten wieder verkauft hat. Die Haltedauer des Wertpapier ist also ein recht guter Indikator für die Bestimmung deines Tradingcharakters. Zumindest hat es der Staat so gesehen…
Auch wenn es viele aktiven Trader nicht wahrhaben wollen (einschließlich mir), gilt an der Börse allgemein und vor allem auf lange Sicht: Besser passiv investieren als aktiv!


Regel Nummer 9: Diskutiere mit erfahrenen Börsianern


Regel Nummer 10 ist wahrscheinlich für viele nicht einfach umzusetzen, weil man ja nicht unbedingt Finanzexperten im nähren Freundes- und Familienkreis hat und schon gar nicht, wenn man nichts mit Finance studiert hat. Allerdings ist in der heutigen Zeit ja alles auch einfach geworden und es gibt unzählige Meet-ups, Facebook-Gruppen oder sogar vielleicht die Börsen AG an der Uni deiner Heimatstadt. Mir hat es wirklich sehr viel geholfen, mich regelmäßig mit erfahrenen Tradern auszutauschen und andere Blickwinkel auf die Sache zu bekommen oder auch aktiv die Entscheidung zu treffen, nicht nachts um 4 Uhr aufzustehen um bei irgendwelchen Bewegungen an diversen asiatischen Börsen dabei zu sein.


Regel Nummer 10: Zeige Interesse


Man wird wahrscheinlich nur in etwas gut, wenn man Spaß daran hat und es gerne macht und dies korreliert wiederum mit Interesse an der Sache. Andererseits gibt es auch immer wieder Aufgaben die keinen Spaß machen, wie zum Beispiel steuerliche Aspekte beachten und den Freistellungsauftrag beantragen. Sei stets informiert und plane ein wenig Zeit dafür ein. Du solltest zumindest unregelmäßig dich über deine Unternehmen informieren und die Geschäftsabschlüsse lesen (du findest sie unter „investors relation“ auf der jeweiligen Homepage). Aber selbst, wenn du dich überhaupt nicht mit dem Börsengeschehen beschäftigen möchtest, kannst du immer noch in Aktien investieren. Hier empfiehlt es sich die Börsenanleitung oder wie ich mein Geld anlege durchzulesen.


Regel Nummer 11: Lerne etwas über Geldpolitik


„Spekuliere niemals gegen die Notenbank“. So lautet eine alte Börsenweisheit die man wirklich auch beherzigen sollte. Eines ist sicher: Ohne die Zusammenhänge zwischen Leitzins, geldpolitische Maßnahmen, Konjunkturpakete etc. und der Börsenbewegung zu kennen, kannst du kein guter Investor werden. Ein guter Freund von mir hat mehrere Jahre „Newstrading“ betrieben, das heißt er hat sich regelmäßig die Zinsentscheidungen sowie die anschließende Pressekonferenz (Forward Guidance) der Fed und EZB angeschaut und hat dann versucht Bewegungen mitzunehmen bevor die großen Schwergewichte (Fonds) so richtig auf den Zug aufgesprungen sind. Ich glaube, er war nicht wirklich erfolgreich und ich würde so ein kurzfristiges Trading auch nie empfehlen, aber an sich ist es schon das, was ich einem Anfänger empfehlen würde: Schaue wie die Börse auf die Notenbank Entscheidungen reagiert (und beantworte die Frage warum). Das kann enorm hilfreich sein. Hierbei kommt es auch zu scheinbar paradoxen Ereignissen: Die Konjunkturstatistik kündigt zum Beispiel eine überraschend hohe Arbeitslosenquote an, darauf fallen die Kurse, um wenig später über das Ausgangsniveau zu steigen. Was ist passiert? Nach dem Verdauen des ersten Schocks über schlechte Zahlen, steigen die Kurse, weil man als Reaktion mit geldpolitischen Maßnahmen rechnet, welche einen stärkeren (positiven) Effekt auf die Börse haben.


Regel Nummer 12: Übe dich in Geduld


Nichts tun kann extrem schwierig, aber gleichzeitig (in der richtigen Situation) auch der Schlüssel zum Erfolg sein.
Diese simple Handlungsempfehlung könnte eventuell auch als Königsdisziplin der Börse gesehen werden und ist extrem schwierig umzusetzen, wenn man in der Situation drin ist. Genau das ist nämlich der Clue: Viele Dinge klingen manchmal einfach, aber es ist fast unmöglich sein eigenes Verhalten zu antizipieren, wenn man selbst die Situation nur als Außenstehender beurteilt.

Beim Thema Geduld kann man wirklich was von der Tierwelt lernen
Quelle: free licence

Ich war schon öfters in der Situation, dass ich ewig darauf warten musste, dass meine Wertpapiere in die Gewinnzone rutschen und in schwachen Momenten habe ich die ein oder andere Aktie/Rohstoff dann auch zu meinem Leidwesen frühzeitig abgestoßen, um dann wehmütig der darauffolgenden Kursexplosion zuzusehen. Aussitzen kann an der Börse doch auch ein Erfolgsrezept sein, wenngleich „Nichtstun“ doch auch wieder einer der bekanntesten Börsenweisheiten diametral gegenübersteht: „Verluste begrenzen, Gewinne laufen lassen“. Da wird auch gleich wieder die Grundproblematik meiner Regel Nummer 1 sichtbar: Irgendwie gibt es immer eine Börsenregel, die einer anderen in die Quere kommt. Man kann also immer Fehler machen.


Regel Nummer 13: Kaufe keine Finanzderivate


Es handelt sich hierbei um „Massenvernichtungswaffen“ – zumindest wenn es nach Staranleger Warren Buffett geht. Aber viele Finanzderivate haben in der Tat eine Menge Tücken und sind im Prinzip nicht einmal für Profis geeignet. Der Hauptpunkt ist meiner Meinung nach der negative Erwartungswert (also die Tatsache, dass es bei einigen Wertpapieren langfristig zum Totalverlust kommt), aber auch ansonsten muss man sehr genau lesen, was man denn genau kauft, also insbesondere alles Kleingedruckte, bis man sich sicher sein kann, dass man genau weiß, wie das jeweilige Finanzprodukt ausgestaltet ist. Hierbei handelt es sich auch um eine allgemeine Regel: „Kaufe nur das was du auch verstehst“. Dies sollte generell befolgt werden.
Diese Regel Nummer 13 ist sehr eng verwandt mit der obigen Regel Nummer 8 und mein Tipp lautet auch hier: Tu es nicht!


Regel Nummer 14: Dokumentiere deine Käufe und Verkäufe


Diese schlichte Regel hat bei mir zu einem richtigen AHA-Effekt geführt. Ich hatte meine Trades schon immer sehr gut vorbereitet und durchdacht, aber die lästige Buchführung habe ich immer beiseite gelassen und als unwichtig und störend empfunden, bis ich dann herausgefunden habe, dass es sich um ein richtiges Qualitätsmerkmal handelt, welches die Trades nachhaltig verbessert. Als ich nämlich meine ganzen Trades im Rahmen einer Finanzübersicht notierte, fiel mir zum ersten Mal auf, dass die Trades immer kurzfristiger und unbewusst riskanter geworden sind im Zeitablauf. Außerdem ist mir das erste Mal richtig bewusst geworden, dass ich einen Gewinn erzielt habe (das wusste ich natürlich), obwohl ich mit 85% meiner Trades (!) Verluste erzielt hatte. „Gewinne laufen lassen und Verluste begrenzen“ wurde mir zum ersten Mal so richtig klar und es ist auch ein super Gefühl, wenn man Gewinne erzielt, obwohl man öfters falsch liegt, nur weil man ein gutes Money Management hat (siehe auch Regel 7).
Des Weiteren würde ich empfehlen jeden Trade in der Doku mit einem kleinen (oder ausführlichen) Kommentar zu versehen. Wenn ich meine alten Unterlagen raushole, bin ich manchmal regelrecht erstaunt, was ich mir damals so gedacht habe und frage mich wirklich, ob das von mir stammt.

Was natürlich auch sehr wertvoll ist, wäre im Nachhinein ein SOLL-IST Abgleich, von dem was du gedacht hast was passieren sollte und dem was wirklich passiert ist. Das kann extrem wertvoll sein. Merke: Wie die Börse in der Vergangenheit auf bestimmte Ereignisse reagiert hat, macht das, was du gedacht hast, was passieren würde, obsolet. Lerne von der Börse und bedenke „der Markt hat immer Recht“. Denke nicht über die Börse nach sondern verschmelze mit ihr und lass dich von ihr treiben und trade dann aber mit genügend emotionalem Abstand.


Regel Nummer 15: Überlege dir wieviel Risiko du eingehen möchtest


Vielleicht habe ich es schon öfters erwähnt, aber an dieser Stelle passt es noch einmal gut: An der Börse gilt „Rendite kommt von Risiko“. Also höhere Gewinnaussichten müssen zwangslogisch mit mehr Risiko „erkauft“ werden. Das ist eine fundamentale Tatsache und ist in sich auch sachlogisch. Das liegt einfach an der Tatsache, dass sich Investoren das Mehr an Unsicherheit durch eine Risikoprämie auszahlen lassen. Vor ein paar Monaten (vielleicht ist es immer noch so) hatte ich mir mal spaßeshalber Staatsanleihen aus Venezuela anzeigen lassen und wäre mit 50% Rendite dabei gewesen … Gerade am Anfang erscheinen solche Investments sehr verlockend, aber die argentinischen Staatspleiten haben gezeigt, dass viele Privatanleger ihr Geld nie wieder gesehen haben. Manchmal findet man in der Literatur auch statische Empfehlungen wie: Die Aktienquote sollte 100-Lebensalter entsprechen: Also wenn du 20 Jahre bist, darfst du 80% Aktien in deinem Depot liegen haben und wenn du eben 100 Jahre alt bist gar keine mehr. Ich halte nicht so viel von solchen generalisierten Empfehlungen, aber Risiko an der Börse ist so so gesagt ihr Wesensmerkmal und man tut gut daran, das richtige Risikomaß für sich selbst zu bestimmen. Viele Menschen legen auch tatsächlich nur das Geld an, auf das sie nicht angewiesen sind und es im besten Falle gar nicht groß merken, wenn es nicht mehr da sein sollte. Außerdem kannst das Risiko meiner Meinung nach recht gut bestimmen: Mit schützenden Limits kannst du immer genau festlegen, wie viel du Maximal bei einem Investment bereit bist zu verlieren (siehe auch Regel Nummer 7). Fälle, wo Privatpersonen ihr ganzes Hab und Gut an der Börse verloren haben gibt es tatsächlich, aber das geht dann meistens in Richtung Spielsucht oder bewusst eingegangene Risiken.
Du findest im Internet auch Tools, um deine eigen Risikotragfähigkeit zu bestimmen … ich habe es nie ausprobiert und vertraue da lieber meiner eigenen Erfahrung und Selbsteinschätzung. Gut zu wissen ist allerdings, dass du deine emotionale Risikotragfähigkeit auch trainieren kannst. Es ist wie bei Allem: Beim ersten Aktienkauf war ich in der Tat etwas nervös und beim zwanzigsten hab ich dann nicht mehr noch mit der Schulter gezuckt. Die Gefahr ist dann eher, dass man mit der Zeit Risiken erhöht und gepaart mit Selbstüberschätzung dann doch mal ziemlich daneben liegt …


Regel Nummer 16: Lerne aus deinen Fehlern


Ich glaube, dass ich das in verschiedenen Beiträgen immer wieder auch unterschwellig empfohlen habe. Fehler machen ist menschlich und an für sich eine heilsame Erfahrung, wenn man eben daraus die richtigen Schlüsse zieht. Aber bitte nicht zu radikal: Wenn du einen Verlust realisieren musstest, ist die Schlussfolgerung nicht zwangsläufig „ich trade jetzt gar nicht mehr“ sondern du könntest zum Beispiel am eingegangenen Risiko schrauben (ETF statt Stockpicking). Die goldene Mitte ist meist der beste Weg!
Auch hier solltest du optimalerweise die Fehler (und das was du das nächste mal anders machen möchtest) schriftlich festhalten. Und am besten du bist schön ehrlich zu dir selbst.


Regel Nummer 17: Lege eine Exit Strategie fest


Das Wort Exit Strategie war ja das Schlüsselwort bei der Pandemie 2020 (ja ich weiß, ich kann dieses Corona auch nicht mehr hören) und ich habe es versucht auf die Börse zu übertragen. Was ich damit sagen möchte ist Folgendes: Versuche dich mental so auszurichten, dass du jederzeit der Börse auch den Rücken kehren könntest. Also verstricke dich nicht emotional zu tief und beobachte das Geschehen mit Interesse und Neugier, aber nicht als Obsession oder gar spielsuchtgefährdet. Die Börse ist immer nur Mittel zum Zweck (rentable Geldanlage) und nicht mehr.


Regel Nummer 18: Hinterfrage dich


Mir ist es schon öfters so gegangen, dass ich einen Einfall/Tradingidee hatte (was an für sich ja schon einmal gut ist) und dann gleich Feuer und Flamme war und diese total begeistert sofort umsetzen wollte, aber mit etwas Abstand (mal drüber schlafen) fand ich die Idee dann doch eher nur so „Mittel“. Es gibt eine sehr sinnvolle (simple) Strategie, die wenige Menschen anwenden aber hilfreich sein kann: Stelle dir bewusst die Frage „wieso könnte ich mit meiner Einschätzung falsch liegen?“ und beantworte sie dann auch. Schreibe dir Gründe auf, weshalb es eventuell gerade nicht so eintreten könnte, wie du vermutest. Passend hierzu kannst du auch den Artikel über die selektive Wahrnehmung lesen.


Regel Nummer 19: Beachte die Intermarket Verbindungen


Kommen wir nun zu einem meiner Lieblingsthemen, nämlich den übergeordneten Asset-Verbindungen. Was heißt das genau?
Man könnte die Finanzmärkte noch einmal unterteilen in Aktienmarkt, Devisenmarkt (also Währungen, die anhand des Umsatzvolumens den größten Finanzmarkt darstellen!), Gold, Rohstoffe, Anleihen etc. (Gold ist auch ein Rohstoff, aber ich liste es immer separat auf, weil es noch die Doppelfunktion als Ersatzwährung auf sich vereint). Aber irgendwie ist doch keiner dieser Teilmärkte komplett isoliert und alle hängen auf eine bestimmte Art und Weise mehr oder weniger stark voneinander ab. Also man kann – meiner Meinung nach – heutzutage kaum noch in einem dieser Teilmärkte einzeln traden, ohne zu wissen, was die anderen Assets machen. Vielleicht mal ein paar Beispiele:
a) Der Rohstoff Kupfer hat sich als ein recht guter Indikator für den Zustand der Weltwirtschaft erwiesen, da er Ausgangsstoff vieler Produktionsketten ist. Daher wird „Dr. Kupfer“ manchmal auch als der Rohstoff mit Doktortitel in Wirtschaftswissenschaften bezeichnet. Der Zustand der Weltwirtschaft ist natürlich auch der wesentliche Indikator für den Aktienmarkt und Kurspotentiale. Also es könnte eventuell lohnenswert sein, zusätzlich zum Aktienmarkt, bestimmte Rohstoffe zu beobachten.
b) Noch ein Rohstoff: Öl. Steigende Ölpreise haben in der Vergangenheit immer wieder direkten Einfluss auf die Geldpolitik der Notenbanken genommen. So wurde Fed nicht selten gezwungen aufgrund von steigenden Ölpreisen die Leitzinsen zu senken, was wiederum die Konjunktur abwürgt. Aber es geht noch weiter: Da die meisten Rohstoffe in US-Dollar notiert sind, haben Preisveränderungen auch einen direkten Zusammenhang mit den Devisenmärkten: Dollar und Rohstoffe entwickeln sich tendenziell invers zueinander. Des weiteren sind viele Emerging Countries – Aktien von den Rohstoff Preisen abhängig und so weiter … Auch gut zu wissen: Wenn der Ölpreis steigt, kommt dies meist Aktien aus der Energiebranche zugute.
c) In ständiger Konkurrenz um das Geld der Investoren stehen im Prinzip Anleihen und Aktien. Wenn die wirtschaftliche Ausgangslage positiv ist (eingeschätzt wird), fließt das Geld tendenziell eher in die Aktienmärkte. Auf der anderen Seite werden in Finanzkrise meist US-Staatsanleihen gekauft, da sie als eines der sichersten Investments weltweit gelten.
d) Die inverse Verbindung zwischen Dollar und Rohstoffen wird beim Gold recht deutlich sichtbar. Ich habe mal einen schönen Chart rausgesucht, welcher dies recht gut demonstriert (den Chart habe ich hier entnommen: https://broker-test.de/trading-news/goldpreis-erholt-sich-vom-sieben-monats-tief/):

Natürlich darf man bei der technischen Analyse (Chartanalyse) nicht immer von einer 1:1 Entwicklung ausgehen (dafür ist das Geschehen viel zu komplex und es gibt immer wieder Ereignisse, die nur eine Asset-Klasse treffen), aber dennoch ist die inverse Verbindung recht eindeutig sichtbar. Invers bedeutet, dass der eine Wert fällt, während der andere steigt, also eine negative Korrelation.
Dies war nur eine Auswahl an Intermarktet-Verbindungen. Es gibt natürlich noch viel mehr Zusammenhänge, aber ich habe mich bemüht einige wichtigen rauszusuchen. Das Wissen, um die Verbindungen aller Asset-Klassen kann sich als ein echter Vorteil herausstellen, weil einige Assets tendenziell Frühindikatoren für die Bewegung anderer Vermögenswerte darstellen und darauf kann man dann entsprechend reagieren. Aber trotzdem bitte beachten: Es handelt sich um Zusammenhänge, die oftmals so eingetreten sind, aber sich je nach Rahmenbedingungen auch in das Gegenteil wandeln können. Zum Beispiel reagieren Vermögenswerte und dessen Verbindungen zu anderen Assets teilweise genau andersherum, abhängig davon ob wir uns in einem inflationären oder deflationärem Umfeld befinden.


Regel Nummer 20: Entkoppel deine private Stimmung von den Wertpapieren


„Das letzte Hemd hat keine Taschen“

Diesen Satz habe ich einmal im Zug von einem älteren Herren aufgeschnappt und seitdem im Hinterkopf behalten. Es ist ein allgemein bekanntes Sprichwort, das ich aber noch nie gehört hatte. Ich muss sagen, dass der Satz mich stark berührt auf seine eigene Art und Weise. Was will ich damit sagen? Geld scheint so oft so unersetzlich wichtig, aber im Endeffekt ist es wirklich nichts wert. Aber ich meine gar nicht (nur) das Loslassen am Lebensende sondern die komplette Spanne zwischen Geburt und Tod: Es ist es wirklich nicht wert, dass man sich mit Freunden oder gar Familienmitglieder wegen des Geldes in die Haare bekommt, auch wenn es natürlich oftmals leichter gesagt ist, als es dann ich wirklich ist. Börsentechnisch solltest Du zumindest versuchen, die eventuelle Börsenaufregung nicht in das private Umfeld zu tragen.


So, das waren alles Gedanken, die ich mir zu diesem Thema gemacht habe. Mich würde aber vor allem interessieren, ob du den Punkten zustimmen würdest oder es noch andere Punkte gibt, die deiner Meinung nach fehlen. Schreibe doch gerne einen Kommentar. Ich freue mich darauf.

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