In den letzten Jahren musste man irgendwie umdenken, wenn es um die Geldanlage geht. Einerseits natürlich weil sich die Rahmenbedingungen geändert haben, mit dem schon seit Jahren anhaltenden Niedrigzinsumfeld (TINA = There is no alternative). Aber andererseits auch weil sich das Finanzwissen in der Bevölkerung ausbreitet (zum Glück) und nicht nur einem erlauchten Kreis von Bankern und Börsenkennern vorbehalten ist, sowie es gefühlt früher der Fall war. Dass Lebensversicherungen und Bankguthaben unter Risiko-Rendite-Betrachtungen keine guten Geldanlagen sind, spricht sich so langsam herum, aber dennoch bleibt die Frage: Was sollte man beim Geldanlegen beachten? Hierzu möchte ich in diesem Beitrag einige wesentlichen Punkte aufgreifen.
Auf die Frage „soll ich mein Geld investieren?“ lautet die vielleicht überraschende Antwort: Das tust du bereits – aber wahrscheinlich eher unwissentlich oder unbewusst – in Form von Bankguthaben.
Wenn man es so will ist Bankguthaben – ökonomisch gesehen – nämlich nichts anderes als ein unbesicherter Kredit, den du deiner Hausbank zur Verfügung stellst (Anmerkung: gilt für Vermögen oberhalb der gesetzlichen Einlagensicherungsgrenze von 100.000 €). Und es kommt im Prinzip noch schlimmer: Deine Bank ist ein hoch verschuldetes Unternehmen, denn die typische Eigenkapitalquote von Banken liegt in der Regel im einstelligen Prozentbereich, Banken sind also teilweise ziemlich wackelige Zeitgenossen, was die Vergangenheit ja auch immer wieder gezeigt hat: In der großen Pleitewelle zwischen 1984-1994 sind alleine in den USA 2253 Banken bankrott gegangen (Eine unglaublich hohe Zahl. Aber zugegebenermaßen war das auch der extremste Zeitraum von Bankeninsolvenzen der meine Recherche ergeben hat. In anderen Jahrzehnten waren es teilweise unter 50 Banken). Dieser Gedanke der Unsicherheit ist übrigens gar nicht populistisch sondern für viele einfach nur neu, weil man ja jahrzehntelang durch irreführende Informationen und Marketingaktionen („Weltspartag: Bring dein Geld in Sicherheit in die Bank“) das so in die Wiege gelegt bekommen hat. Aus Risikogesichtspunkten ist ein Bankguthaben über 100.000 € (bei nur einer Bank) wirklich nicht zu rechtfertigen und sogar töricht. Deshalb parken Finanzprofis größere Vermögen nie lange als Bankguthaben sondern investieren es in Geldmarktpapiere, wie z.B. kurzfristigen Staatsanleihen hoher Bonität. Natürlich gibt es auch bei den privaten Banken eine Einlagensicherung die über die gesetzliche hinaus geht, aber bei einer richtigen Finanzkrise würde ich nicht unbedingt darauf vertrauen. Das ist mehr oder weniger auch der Grund, weshalb Staatsanleihen weggehen wie warme Semmel. Da kann man sich ja schon einmal die Augen reiben: Investoren legen große Summen an und verlieren damit gleich doppelt Geld: Einmal weil es eine negative Rendite gibt und andererseits weil es zusätzlich noch eine nicht unerhebliche Inflationsrate gibt. Also Geld bezahlen dafür, dass es garantiert weniger wird. Sind die vielleicht einfach nur doof? Eher nicht, das ist der Preis, den man bereit ist für die Sicherheit zu bezahlen. Die Sicherheit ist demnach ziemlich teuer …
Um die trockene Bankentheorie literarisch etwas aufzulockern, kommt hier ein Gedicht von Erich Kästner zum Thema Bank. Ich glaube, Herr Kästner hat keine guten Erfahrungen mit Banken gemacht, jedenfalls ist es nicht sein einziges Banken-Kritik-Gedicht; mindestens ein weiteres hab ich bei meiner Recherche noch gelesen.
Dein Bankguthaben über 100.000 € (ich weiß, das ist ganz schön viel) ist also auch eine Art Investitionsprojekt, aber unter einer Rendite-Risiko-Betrachtung (die Betonung liegt hier auf Risiko) ein ganz schön schlechtes. Vielleicht doch noch einmal kurz veranschaulicht: Nach heutigem Stand (07.07.2022) wird dein Geld aufgrund der Inflation ca. 8 % weniger Wert pro Jahr (also es verliert an Kaufkraft – um es etwas formaler auszudrücken) und zusätzlich ist es relativ risikoreich angelegt. Wenn man das in einem Verkaufsprospekt lesen würde, würde man ja fast schmunzeln.
Summa summarum ist diese Bank Sicherheits – Philsophie, die man seit Jahrzehnten automatisch lebt, ein irreführender falscher Glaubenssatz, den man für sich selber auflösen sollte.
Früher war das vielleicht auch noch kritischer, da gab es keine Einlagensicherungen, keinen Rettungsschirm, kein Bail-out … da war das Geld dann wohl einfach weg, wenn die Bank pleite ging. Dennoch ist die Gefahr von Bankenpleiten gar nicht so weit weg. Meine Generation hat (in Deutschland) davon sicherlich kaum etwas mitbekommen (vielleicht noch den Untergang der Dresdner Bank oder die Teilverstaatlichung der Commerzbank), aber in Zypern wurden während der Finanzkrise 2008 Sparer enteignet! Das darf man nicht vergessen.
Nikosia in Zypern
Quelle: canva.com
Aber was ist im Prinzip schon sicher? Geht es nach Gerd Kommer und Olaf Gierhake (bezeichnender Name wenn man in der Finanzbranche arbeitet) ist man am besten mit einer Stiftung in Liechtenstein bedient, also einem der wenigen Länder weltweit (ich glaube es sind 5) die absolut schuldenfrei sind. (Ein SC Freiburg Fan denkt jetzt bestimmt an die Matthias Ginter – Stiftung). Das Vermögen ändert dann zwar seinen Charakter und man kommt gar nicht mehr wirklich dran, aber der Staat eben auch nicht mehr, also man könnte nicht einmal noch enteignet werden. Interessanter Gedanke. Dennoch muss sich wahrscheinlich jeder (und auch Gerd Kommer) von diesem Gedanken der absoluten Sicherheit verabschieden. Man kann das immer weiterdenken: Kleine Länder wie Liechtenstein sind auch nicht vor einer feindlichen Übernahme sicher, um es mal mit M&A Vokabular auszudrücken und dann hilft wahrscheinlich auch eine Stiftung recht wenig …
Aber lassen wir einmal das Bankguthaben hinter uns und die Sicherheit interessiert gerade auch nicht so sehr … Fokussieren wir uns lieber auf die Grundsätze der Geldanlage und deshalb präsentiere ich nachfolgend einige Fundamentalsätze der Geldanlage, die ich als nennenswert empfinde, also mir so zusammengesucht und selektiert habe:
Meine Fundamentalsätze beim Geldanlegen
1. Fundamentalsatz der Geldanlage:
Verschiedene Investitionsalternativen werden mit Hilfe des Barwertes verglichen und bewertet.
Angenommen der Zinssatz liegt bei 10 % (Soll und Haben) und du darfst zwischen folgenden zwei Alternativen wählen: a) du bekommst in einem Jahr 1.000 € geschenkt oder b) du bekommst jetzt eine Staatsanleihe im Wert von 900 € mit garantiertem 12 % Zins in einem Jahr. Beide Investments entsprächen dem gleichen Risiko.
Was würdest du dann wählen? Du musst den Wert der Anlagemöglichkeiten auf den heutigen Wert runterbrechen. Also wenn du heute schon die 1000 € hättest, dann könntest du ja mit dem Geld weiterarbeiten „a dollar today, is more worth than a dollar tomorrow“. Sprich deine 1000 € in einem Jahr sind heute nur 1000/1,1= 909 € wert. Die zweite Alternative ist bei sofortigem Verkauf 900 € wert (der Zins interessiert erst einmal nicht). Also ist Alternative eins besser. Obwohl man mit Alternative 1 auf einen Endwert von 1000 € kommt und mit Alternative 2 auf einen Endwert von 900*1,12= 1008 €.
Und warum ist das finanzmathematisch so?
Man würde nämlich Folgendes machen: Man würde Alternative 1 wählen und sich heute den Barwert von Alternative 1, also 909 € als Kredit auszahlen lassen. Dann würde man entsprechend Staatsanleihen aus Alternative b) kaufen und erwirtschaftet dann in einem Jahr 909*1,12= 1018 €. Jetzt müsste man den Kredit inkl. Kreditzinsen zurückzahlen, also 909*1,1= 1000 €. Man hätte also 18 € Gewinn gemacht. Zusätzlich bekommt man jetzt die 1000 € aus Alternative a) geschenkt und kommt auf ein Endvermögen von 1018 €! Und dieses Endvermögen ist dann auch größer als dass bei Alternative 2. Und schon sind wir auch recht nahe am Thema Opportunitätskosten, also diejenigen Kosten, die dir beim gerade vorgerechneten Beispiel entgangen wären, wenn du die Kreditauszahlung nicht in Betracht gezogen hättest.
2. Fundamentalsatz der Geldanlage:
Opportunitätkosten beachten
Ein klassisches Beispiel hierfür wäre – meines Erachtens nach – die Kaufen vs. Mieten Problematik. Die Denke „Mieten ist herausgeschmissenes Geld, weil danach hab ich ja nichts und beim Kaufen besitze ich am Ende immerhin die Immobilie“ ist daher auch ein Denkfehler, weil du die Differenz von Kreditrate minus Mietkosten (ganz vereinfacht ohne Instandhaltungskosten etc.) in Aktien anlegen könntest und empirisch hat sich herausgestellt, dass Mieten in der Vergangenheit oftmals sogar die bessere Wahl war. Das ist aber nur ein Alltagsbeispiel. Opportunitätskosten begegnen dir fast überall.
3. Fundamentalsatz der Geldanlage:
Keine Risikoklassen vermischen
An den Kapitalmärkten wirst du für übernommenes Risiko prämiert. Die erwirtschaftete Rendite kommt genau von dieser Risikoübernahme. Wenn du jetzt zum Beispiel sagst, dass du die Dividende als neuen Zins betrachtest, dann machst du genau diesen fundamentalen Fehler: Die Dividende unterliegt der Risikoklasse Aktien, während der Zins in der Regel aus der „risikolosen“ Anlage entnommen wird.
Oder anderes Beispiel: Du kannst einen ETF-Sparplan nicht mit einer Einmalanlage vergleichen, wenn das Geld, das für die Sparraten monatlich eingezogen wird, weiterhin auf deinem Konto liegt. Während der Laufzeit des Sparplans muss auch dieses Geld auf dem Sparbuch voll investiert sein (wieder Opportunitätskosten!) in der Risikoklasse des ETF’s.
4. Fundamentalsatz der Geldanlage:
Deine Rendite ist ein Ausdruck des Risikos das du übernommen hast
Die Märkte sind dahingehend effizient, dass du nichts geschenkt bekommst. Daraufhin deutet auch der englische Satz „There is no free lunch“ hin. Das heißt, dass hohe Renditen zwangsläufig mit einem hohen Risiko einhergehen. Daran kannst du dich im Prinzip immer orientieren. Und es schützt dich auch auf unseriöse Lockangebote hereinzufallen. Vielleicht als grobe Hausnummer: Die Aktienmärkte erwirtschaften im Durchschnitt so ungefähr zwischen 5-8 % nominale Rendite pro Jahr (ganz grob!).
Natürlich kannst du auch an der Börse mehr herausholen. Wenn sich eine Einzelaktie, die du hältst verdoppelt, hast du ja 100 % Gewinn gemacht und mit Bitcoin hätte man auch gutes Geld verdienen können. Aber immer mit dem entsprechenden Risiko: Einzelaktien sind riskant, weil Unternehmen (z.B. Wirecard) pleitegehen können und dann erleidest du einen Totalverlust und von Bitcoins wusste man sogar lange nicht, ob diese sogar staatlich verboten werden. Generell gilt: Die Kapitalmärkte sind eher Haifischbecken als Ponyhof und in diesem Becken tummeln sich Millionen von Finanzprofis, die dir mit großer Wahrscheinlichkeit nichts schenken werden.
5. Fundamentalsatz der Geldanlage:
Traue lieber nicht deinem Bankberater
Das klingt vielleicht etwas fies, aber die Vergangenheit hat gezeigt, dass es in der Regel keine gute Wahl ist. Das liegt einfach, unter anderem, auch daran, dass dein Bankberater dir nur diejenigen Produkte anbieten kann/wird, die von der eigenen Bank oder dem Mutterkonzern herausgegeben werden. Also zum Beispiel der Deka Bank (bei den Sparkassen) oder der VZ-Bank (bei den Raiffeisenbanken). Außerdem ist Beratung oft provisionsabhängig und von daher hast du schon ein Interessenskonflikt bevor du dem Beratungsgespräch überhaupt beitrittst. Neulich hat mir erst eine Freundin wieder ihr Portfolio gezeigt, mit lauter teuren Produkten und schlechter Performance. Da solltest du echt lieber das hier lesen.
An dieser Stelle endet der erste Teil, einfach wieder der Tatsache geschuldet, dass die Beiträge sonst zu lange werden. Ich hoffe, du konntest etwas mitnehmen und du deswegen bei Teil 2 auch wieder mit an Bord bist.
Ach ja, falls du Lust hast, gerne auch kommentieren. Das motiviert mich! Wirklich!