Die Tücken der Prozentrechnung und Rendite

*Letzte Aktualisierung 10.04.2023*

Vielleicht wirst du dich nicht so gerne an den Mathematikunterricht in der Schulzeit zurück erinnern (wollen). Aber den Dreisatz kennst du bestimmt noch. An der Börse wird die erwirtschaftete Rendite in Prozent ausgedrückt und dient dazu deine Investments zu bewerten. Das kannst du natürlich auch mit absoluten Zahlen tun: „Mit der Adidas-Aktie habe ich 2000 € verdient.“ Aber um verschiedene Investments vergleichen zu können, musst du den Gewinn in das Verhältnis des Startkapitals setzen und dabei kommt man um die Prozentrechnung nicht herum. Anfangs zeige ich dir einige Denkfehler auf und wende dies dann auf einen sogenannten short ETF auf den DAX an.

Das zeige ich dir hier 😉

Viele Menschen machen Fehler, wenn es um Prozentrechnung geht. Wahrscheinlich liegt es daran, dass die Prozentrechnung (sowie die Wahrscheinlichkeitsrechnung in der Mathematik) nicht intuitiv ist. Sie wird schlicht als unlogisch empfunden. Ein kleines Beispiel vorweg: Du legst 100 € in Aktien an. Am folgenden Tag steigt der Kurs um 10 %, allerdings sinkt er einen Tag später auch schon wieder um 10 %. Wie viel Geld hast du jetzt? Viele denken spontan, dass es wieder 100 € sind, aber das stimmt nicht: Am ersten Tag steigt der Kurs auf 110 € (100*1,1). Jetzt fällt er um 10 % von den 110 €, was ja 11 € sind, sodass am Ende 110-11= 99 € übrig bleiben. Im Endeffekt hat man also einen Euro verloren.

[Exkurs Wahrscheinlichkeitsrechnung: Da ich in meinem früheren Leben Mathematik studiert habe, möchte ich an einem berühmten Beispiel auch noch einmal demonstrieren, dass auch die Wahrscheinlichkeitsrechnung gegen die menschliche Intuition läuft. Und du darfst sogar mitspielen beim sogenannten Ziegenproblem: Stell dir vor, dass du an einer Spielshow teilnimmst. Vor dir sind 3 verschlossene Türen. Der Moderator verrät dir, dass hinter einer Tür der Hauptgewinn von einer Million € liegt, während hinter den anderen zwei Türen jeweils eine Ziege steht. Du darfst jetzt eine Tür wählen (1,2 oder 3). Nachdem du dich für eine Tür entschieden hast, nennt dir der Moderator eine Tür hinter der eine Ziege steht und fragt dich, ob du nun die Tür wechseln willst! Beispiel: Du wählst Tür 1. Der Moderator öffnet nun Tür 3 (hinter der eine Ziege steht) und fragt dich jetzt, ob du statt Tür 1, nicht lieber zu Tür 2 wechseln möchtest
Jetzt kommt die entscheidende Frage: Willst du die Türe wechseln? und erst weiter lesen, wenn du dir Gedanken gemacht hast!
Die Lösung kommt ganz unten am Ende des Beitrages]

Ziegenproblem

In diesem Falle hätten Sie nicht gewonnen
Quelle: Free licence

Nun aber genug von Ziegen gesprochen und zurück zum Ursprungsthema.
Im Folgenden wollen wir ein paar dieser Fallstricke kurz erläutern:

Fehler Nr. 1) 
Hier handelt es sich noch einmal um eine Verdeutlichung des oben genannten Beispiels in extremerer Form. Du legst wieder 100 € an. Der Kurs fällt auf 10 €, also um 90 %. Wie viel Rendite müsstest du jetzt erwirtschaften, um wieder auf den Ausgangswert zu kommen? 90 % Rendite? In Wirklichkeit ist es eine unglaubliche Rendite von 900 %. Schaue am besten einmal nach, welche Fonds eine solche Rendite erwirtschaften (Es sind nicht viele). Daher kommt auch die Börsenregel: Mache nie Verluste!
Hinweis: Prozentangaben können beliebig hoch ausfallen: Die Aktie ist um 150.000% gestiegen, könnte eine legitime Aussage sein, aber sie können im Prinzip nie negativ sein. Das macht keinen Sinn.

Fehler Nr. 2)
Diesmal läuft es besser bei deinem Investment: Aus 100 € hast du innerhalb von 5 Jahren 200 € gemacht, also eine Rendite von 100 % erwirtschaftet. Wie viel Rendite hast du jetzt pro Jahr erwirtschaftet? Ein kleiner Tipp: Es sind nicht 20 %. Du musst nämlich die Rendite so berechnen, als ob du das Geld auf dem Sparbuch anlegen würdest – sprich den Zinseszins miteinbeziehen. Die Antwort lautet: Deine jährliche Rendite betrug knapp 15 %, weil 100*1,15^5=201 €. Bei 20 % Rendite läge der Endbetrag bei fast 250 €! (100*1,2^5=249€).

Fehler Nr. 3)
Du machst aus 100 € diesmal 300 €. Wie viel Rendite hast du erwirtschaftet? Viele meinen, dass eine Verdreifachung einer Rendite von 300 % entspricht, aber es sind „nur“ 200 % Rendite. 100 % Rendite entspricht ja 200 €.

Fehler Nr. 4)
Hier geht es um die Veränderung von Prozentangaben: Wenn die Mehrwertsteuer von 16% auf 19% erhöht wird, dann ändert sich diese zwar um 3 Prozentpunkte aber der eigentliche Preis eine Gutes wird um 2,6% (1,19/1,16=1,0258) teurer.
Wenn du einen Fernseher im Laden kaufen willst und bekommst statt den versprochenen 40% Rabatt, nur 20% Rabatt, dann verteuert sich das Produkt um ca. 33%!
„Beweis“: Angenommen der Fernseher kostet ursprünglich 100€, dann wären es mit 40% Rabatt 60€. Bei nur 20% Rabatt kostet das Ding 80€. Das Gerät wird also um 33% teurer (80/60=1,33).

Fehler Nr. 5)
Das ist eher ein vorbereitendes Anschauungsbeispiel für den unten genannten short DAX und ist mir wirklich selbst einmal passiert: Als Jugendlicher hatte ich ein Musikstück mit der Bassgitarre eingespielt (Geschwindigkeit = 100) und es dann am PC auf 80 gedrosselt. Also um 20% verlangsamt. Danach habe ich es abgespeichert und wollte es am nächsten Tag wieder bei Originalgeschwindigkeit abspielen und habe es wieder um 20% erhöht und mich gewundert, weshalb es nicht mehr zu den anderen Instrumenten passt. Was war passiert? Beim Speichern wurde die aktuelle (gedrosselte) Geschwindigkeit auf 100% gesetzt und um es wieder auf die Originalgeschwindigkeit zu erhöhen musste ich die aktuelle Geschwindigkeit auf 125% stellen, da 20 von 80 = 25% sind.

Infobox: Wie berechnet man Renditen von Aktien
Im Prinzip ist das sehr einfach: Wenn dein Kurs bei 160€ steht und du die Aktie für 110€ gekauft hast, dann hast du eine Rendite von 45% (=160/110) erwirtschaftet. Wenn es andersherum gelaufen wäre, also aktueller Kurs ist 110€ und du hast für 160€ gekauft, dann hättest du jetzt eine negative Rendite von 31% (=1-110/160) eingefahren.
Und wieder schön ersichtlich: Du musst 45% Gewinn machen um einen Verlust von 31% wett zu machen.

Die oben genannten Denkfehler wollen wir jetzt praktisch anwenden: Angenommen du bist pessimistisch, was die Marktlage angeht und willst auf einen fallenden DAX setzen. Das geht zum Beispiel mit einem ETF. Dazu haben wir uns folgenden ausgesucht, aus dem Hause der Deutschen Bank: DB X-Trackers shortdax daily ETF 1c:

Auf fallenden DAX spekulieren


Der prozentuale Verlauf von DAX (blau) und short ETF (gelb).
Quelle: comdirect.de

Was fällt auf? Beide starten natürlich bei 100 %. Anfang 2009 stimmt das Verhältnis noch: Der DAX halbiert sich, während der ETF sich verdoppelt. Mit den Jahren driften die zwei Kurse allerdings unverhältnismäßig auseinander: Im Juni 2015 liegt der DAX bei einer Gesamtrendite von ca. 40 % während der ETF bei unter 50 % notiert.
Schuld daran ist, dass der ETF täglich die prozentuale Veränderung des DAX entgegengesetzt darstellt. Mit den oben genannten Besonderheiten ergibt sich dieser Verlauf.
Denke also daran, wenn du –  wie in diesem Falle – auf den fallenden DAX spekulierst, dass der Kursverlauf nicht 1:1 wiedergegeben wird, sondern erheblich variieren kann und zwar je länger du investierst desto mehr. Experten sagen deshalb, dass ein short ETF immer nur für kurzfristige Spekulationen benutzt werden sollte.

Noch etwas fällt mir dazu ein: Ein Kommilitone meinte damals zu mir, dass es ja ziemlich „unlogisch“ sei (er hatte nicht unlogisch gesagt, aber ich bemühe mich ja immer um eine gewaltfreie Kommunikation) den DAX zu shorten, weil der Gewinn nach oben ja auf 100% begrenzt sei, also wenn der DAX komplett wertlos werden würden, dann hätte man ja 100% Gewinn gemacht durch die negative Korrelation. Auch wenn es im ersten Moment vielleicht logisch erklingt, ist es eigentlich Unsinn. Wieder liegt es daran, dass der short DAX täglich neu berechnet wird: Falls er – rein hypothetisch – von 14.000 Punkten auf 7000 Punkte an einem Tag fällt, hätte man also 50% Gewinn gemacht. Am nächsten Tag wird aber wieder alles auf 0 gesetzt und wenn der DAX dann weiter auf 3500 Punkte fallen würde, dann hätte man wieder 50% Gewinn gemacht und so weiter. Theoretisch bis er bei einem Punkt angelangt wäre.

Wenn dir der Begriff „ETF“ noch nichts sagt, dann empfehle ich dir die Börsenanleitung durchzulesen. Hier zeige ich dir, wie du ohne viel Fachwissen an der Börse durchstarten kannst. Es lohnt sich!

So, zu guter Letzt noch die versprochene Lösung vom obigen Ziegenrätsel mit (hoffentlich) Überraschungseffekt:

Lösung Ziegenproblem von oben: Du solltest auf jeden Fall die Türe wechseln, weil du deine Gewinnwahrscheinlichkeit deutlich erhöhst. Die meisten empfinden dies als unlogisch, weil man ja jetzt anscheinend eine 50:50 Chance hat (2 verschlossene Türe und eine geöffnete mit Ziege), aber das wäre zu einfach gedacht. Es gibt viele verschiedene Erklärungsansätze. Ich finde folgenden am Einleuchtesten: Stell dir vor, du würdest das Spiel 1000 mal hintereinander spielen. Wenn du nun immer Türe 1 wählst, dann würdest du ca. 333 Mal gewinnen (eine Türe von drei macht eine Wahrscheinlichkeit von 1/3). Die anderen 666 Gewinne erzielst du, wenn du immer schön wechselst. Vielleicht noch einmal anders ausgedrückt: Bei Wahl von Tür 1, vereinen Türe 2 und Türe 3 die Gewinnwahrscheinlichkeit von 2/3 auf sich. Wenn ich nun eine dieser Türen öffne mit Niete (also Ziege), dann bleibt die Gewinnwahrscheinlichkeit von 2/3 bestehen, aber wandert auf die nicht geöffnete der zwei Türen über.

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2 Comments

  1. tbee 18/09/2019
    • Boerse-Anlage.de 07/12/2019

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